Thema Trailer

Andreas Schalhorn
Im Gestrüpp der Leere. Zu Brigitte Waldachs „Trailer“

In den Zeichnungen, in denen die Figur meist aus einer gewissen Distanz erfasst ist, sind porträthafte Verweise auf Fritzi Haberlandt deutlich abgeschwächt. Die Schauspielerin fungiert grundsätzlich nicht als Person, sondern als Handelnde der simulierten Bildwirklichkeiten Brigitte Waldachs.

Wie vorher etwa bereits in den früheren Zeichnungsfolgen des Projekts „sichtung rot“ setzt Brigitte Waldach auf subtile Positionierungen der weiblichen Figur in beinahe abstrakt zu nennenden Räumen, die nur durch wenige Requisiten belebt werden. Zu diesen gehören etwa architektonische oder landschaftliche Details, aber auch einzelne Gegenstände oder bedeutungsmäßig ambivalente Rot-Setzungen: (der ein Schatten als Blutlache, die eine Linie als Kabel?). Mit diesen Dingen tritt die Figur vor den Augen des Betrachters in eine direkte oder indirekte Auseinandersetzung – und sei es nur, dass die Dinge mit ihrer Präsenz den Handlungs- und Existenzraum der Figur verändern. Auf diese Weise wird die häufig unheimlich, ja surreal anmutende Stimmung, die sich dem Betrachter vermittelt, noch gesteigert – zumal sich das verhaltene Tun oder kontemplative Verharren der Figur in seinem Sinn nicht endgültig und rational entschlüsseln lässt.

Waldach arbeitet in ihren Inszenierungen existenzieller Isolation und Verstörung – als subkutanem Horror – immer wieder Referenzen an Bilder der Filmgeschichte heraus. Ein Schlüsselwerk für sie ist etwa der Horrorklassiker „The Shining“ von Stanley Kubrick, der sie in den „film sets“ ihr der „sichtung rot“-Serie beschäftigte. Bei „Trailer“ nun fungiert Waldach selbst als Drehbuchautorin, Regisseurin und Cutterin. Die unter ihrer Regie entstandenen Fotos erinnern kaum zufällig an Filmstills, wobei – wie bei einem Dogma-Film – auf jegliche künstliche Ausleuchtung verzichtet wurde.

Ein wichtiges Element der Inszenierung in „Trailer“ sind Texte, Textfragmente, Kürzel oder auch Graffitis. Sie steigern (als Requisiten sui generis) die psychologische Aufladung der Mensch-Raum-Situationen und geben einen diskursiven Grundton an. So verwendet Waldach bereits in der ersten Abbildung (Bild 1) von „Trailer“ einen Text, so dass sich die Fotografie als Titelbild begreifen lässt. Das neben der weiblichen Figur mit roter Kreide auf die Wand gesetzte Textfragment, das sich auf Passagen in Ingeborg Bachmanns Roman „Malina“ bezieht, verdeutlicht, dass die leeren Räume von „Trailer“ die Figur radikal auf ihre eigenen inneren Konflikte zurückwerfen. An anderer Stelle findet sich im Medium der Zeichnung eine Figur mit roter Sprechblase ohne Text. An der Wand im Hintergrund erscheint das verdichtete Schriftbild eines Textes von Jean Baudrillard („Radikale Illusion“) (Bild 2). Die letzte Zeichnung des Bandes wiederum zeigt am Boden – gleichsam als Reflexionsgrundlage für die Figur – den vielsagenden Schriftzug „Happyend“.

Das letzte Bild von „Trailer“ (Bild 3) schließlich, eine Fotografie, zeigt am Boden, direkt vor einer Holzwand, nur mehr das rote Kleid. Die Schauspielerin Fritzi Haberlandt hat sich in Luft aufgelöst, ihre Rolle verlassen – ist aus der Inszenierung ausgestiegen. Durch diesen Abschluss verdeutlicht Waldach noch einmal das Fiktionale und Inszenatorische ihres auf zwei Bildebenen – folglich doppelbödig – angelegten „Trailers“ (Bild 4), dem es so eindringlich gelingt, den Betrachter in das Gestrüpp der leeren Räume zu ziehen und ihn in das beklemmende Rätsel der physischen wie psychischen Präsenz der Protagonistin zu verwickeln. Ein Kammerspiel als großes Kino!

Andreas Schalhorn

Extras, 2008
Gouache, Pigmentstift auf Bütten
146 × 140 cm

Lines, 2010
Gouache auf Bütten
146 × 140 cm
Privatsammlung, Berlin

Relations, 2008
Gouache, Pigmentstift auf Bütten
146 × 140 cm
Privatsammlung, Dänemark

Hypothesis, 2008
Gouache, Pigmentstift auf Bütten
146 × 140 cm
Privatsammlung

Not a Sound, 2008
Gouache, Pigmentstift auf Bütten
146 × 140 cm
Sammlung Deutscher Bundestag