Gewalt

MARTa Museum / Slavoj Žižek, Gewalt: Sechs abseitige Reflexionen, LaikaVerlag, 2011 / The Shining, Stanley Kubrick, 1980

2013:
Raumzeichnung mit 6 Kanal Sound:
MARTa Museum, Herford:
      Gewalt
      Gemeinschaft - frei nach Ferdinand von Schirach
      Vor dem Gesetz
      Widerstand

Die Raumzeichnung „Gewalt“ orientiert sich an Slavoj Zizeks jüngst erschienenem Buch „Gewalt“ mit dem Untertitel „Sechs abseitige Reflexionen“. Ausgehend von einer graphischen Bodenmatrix, eine Referenz an den von Stanley Kubrick selbstgestalteten Teppich in dem Horrorfilm „Shining“, materialisieren sich sechs ausgefüllte rote wabenförmige Flächen. Die „Lichtkegel“ werden „nachgezeichnet“ durch rote Gummibänder, die den Raum – wie erstarrte Suchscheinwerfer – in einer Höhe von bis zu 15 Metern von unten nach oben durchmessen. Die roten Flächen auf dem Boden bestehen aus passgerechten, sechseckigen Holzpodesten, in deren Mitte ein Lautsprecher eingepasst ist. So entstehen im Ausstellungsraum sechs auditive Zwischenräume, die vom Besucher betreten werden können. Aus den Lautsprechern sind Texte zu hören, die sich im weitesten Sinne auf die sechsteilige Gliederung des Begriffes Gewalt bei Zizek beziehen: subjektive und unsichtbare bzw. symbolische und systemische Gewalt, die Politik der Angst und Kommunikation und göttliche und physische Gewalt.
Über die Wände des Ausstellungsraumes ziehen Schriftwolken, die um das Thema Gewalt kreisen.
Eine Ausstellungswand innerhalb der Raumzeichnung kann von den Besuchern genutzt werden, die sich zum Thema Gewalt äußern möchten.

BW

Das nächste Ding (frei nach David Foster Wallace)

      Das naechste Ding - frei nach David Foster Wallace

Was glauben wir nicht alles zu wissen über Menschenrechte und Menschenwürde und wie entsetzlich es ist, jemandem diese Würde zu nehmen, deswegen ja Menschenwürde.
Aber mitzuerleben, wenn es dir selbst passiert, erst das heißt wissen.
Dann kommst du mit all deinen handlichen Begriffen und Beurteilungsreflexen nicht weiter.
Erst wenn es dir selbst passiert, schaust du auf die Schattenseite des Lebens. Dann spürst du die totale Gewalt.
Wenn es dir gelingt, jemand anderen lediglich als Gegenstand zu betrachten, dann kannst du alles mit ihm machen, alle Schranken sind aufgehoben, Humanität und Menschenwürde, Grundrechte – alles nicht mehr da.
Was, wenn ich dir sage, dass sich ihr Horizont im wahrsten Sinne des Wortes erweitert hat? Nicht wahr, dann fällt dir nichts mehr ein?
Erweitert vor allem in Bezug auf die eigene Person.
Denn sie verstand mit einem Mal, dass sie als Gegenstand betrachtet werden kann.

Ist dir klar, was dieser Punkt bedeutet, was dir dadurch alles entrissen wird?
Was dir von deiner Persönlichkeit alles genommen wird oder dem, was du einmal dafür gehalten hast? Alles weg.
Die große Frage: Was bleibt übrig?

Was wäre, wenn ich dir erzählen würde, dass für jenes Mädchen nicht die eigentliche Tat das Schlimmste war, nicht die Angst, nicht die Schmerzen, sondern die Zeit danach?
Als sie versuchen musste, das Erlebnis irgendwie einzuordnen und für das, was passiert war, einen Platz in ihrer Gedankenwelt zu finden.
Nämlich dass sie lernte, sich genauso zu sehen wie ihre Täter: als Gegenstand.
(Wie leicht und wirkungsvoll es gewesen war sich abzusplitten, zu schweben, bis hoch an die Decke … wenn dir alles genommen wurde!)
Was könntest du anderen oder auch dir selbst dann nicht alles antun!
Wen kümmerte es? Wenn eh alles egal ist, du selbst eingeschlossen.
Du bist egal, ein Ding …

Wie fühlt man sich, wenn man sich so ausblenden kann?
Du glaubst, du könntest es dir vorstellen? Das meinst du aber nur!
Was wenn ich dir sage, dass sie es kann?
Was, wenn ich dir sage, dass sie dazu in der Lage ist, weil sie etwas durchgemacht hat, was man sich schon nicht mehr vorstellen kann?
Weil sie weiß, wie das geht, wenn man nur eine Sache ist.

Was, wenn ich dir das angetan hätte? Hier und jetzt.
Meinst du, es würde nicht alles verändern, deine ganze Perspektive?
Ich meine, was bist du denn schon?
Woher willst du wissen, was du bist?