Animation, Balance, Infinity
Zum Titel von Victor Hugos Roman „Notre Dame de Paris“ gehört die Jahreszahl 1482.
Es ist ein historischer Roman, der zwar 1831 erschien, aber die Welt der Vergangenheit, des Mittelalters als ein Panorama aus Worten aufsteigen lässt.
Hier geht es nicht nur um eine imaginäre Archäologie, sondern um ewig virulente Themen wie Liebe, Leidenschaft, Isolation, um Glaube, Macht, Staat, Kirche und – ganz aktuell – um (Kirchen)Asyl.
ANATKH oder Ananké – das Verhängnis oder Schicksal – verbindet die Figuren im Roman und die Menschen grundsätzlich mit der Zeit und der Geschichte.
Die Kathedrale „Notre Dame de Paris“ ist der Mittelpunkt des gleichnamigen Werkes von Victor Hugo. Sie ist nicht nur Handlungsort, sondern auch die Summe aller Figuren des Romans, d.h. zum ersten Mal in der Literaturgeschichte ist ein Bauwerk die „Hauptperson“. Dieser Ort wird in den Zeichnungen „Animation“, „Balance“ und „Infinity“ mit geheimnisvollen Leben gefüllt, das sichtbar wird in zitierten Sprachwolken, die durch die Architektur schweben.
Viktor Hugo wollte einen „idealen“ Roman verwirklichen. Das Ideal war für ihn ein Roman, „der zugleich Drama und Epos ist“. So lässt sich der Aufbau dieses epischen Werkes – neben der Stoff-Fülle – durchaus als der eines Dramas begreifen, das einem wohlüberlegten Konstruktionsprinzip folgt.
Verschwundenes und Fragmentiertes taucht in Worten wieder auf und lockert die Bindung großer Architektur an rein religiöse Funktionen. Die Kathedrale verwandelt sich in ein virtuelles Objekt der Kunst, Kultur- und Zeitgeschichte von der Vergangenheit bis zur Gegenwart.
BW
Balance (Diptychon), 2015
Graphit, Gouache, Pigmentstift auf Bütten
195 × 280 cm
Jahreszahlen tauchen rot aus der Tiefe des „Geschichtsraumes“ auf und strukturieren im Diptychon den Innenraum der Kathedrale, von der Gegenwart (2015) zurück bis zur Grundsteinlegung der Kirche (1163):
Die hier zitierten Textwolken beziehen sich hauptsächlich auf die Beschreibung der Kathedrale, als einer Architektur, die “atmet und lebt“
Die reale Farbsymbolik der Glasfenster löst sich im Bild in Schrift auf und setzt sich aus dieser wieder zusammen, Jede Farbe entwickelt einen eigenen Bedeutungsbereich vom Existentiellen zum Spirituellen.
Rot steht für das Leben, symbolisiert die Liebe, ist aber auch die Farbe des Teufels.
Gelb ist die Farbe des Sonnenlichtes und damit auch Sinnbild des Himmels.
Für Transparenz und Klarheit im Denken steht die Farbe Blau
Im Kampf gegen das Böse verbindet sich weiß und blau (hellblau)
Violett ist aus rot und blau gemischt und steht für Besonnenheit und hohe Kirchenfeste. Im Mittelalter wurde das Passionsgewand von Jesus violett dargestellt.
Grün ist die Farbe des Frühlings, sie steht für neues Leben und Hoffnung, kann aber auch die Farbe des Teufels sein, die zwischen dem Rot der Hölle und dem Blau des Himmels steht.
Animation (Diptychon), 2015
Graphit, Gouache, Pigmentstift auf Bütten
195 × 280 cm
…To animate the stones of Notre Dame.
Anatkh – Verhängnis. Bei Victor Hugo endet die Geschichte seiner Hauptfiguren tragisch. Die Zigeunerin Esmeralda wird hingerichtet, der Glöckner Quasimodo erkennt die Schuld seines Meisters Claude Frollo, an dieser Hinrichtung und stürzt ihn von der Turmgalerie in die Tiefe.
Frollo ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der keusche und tiefgläubige Kirchenmann. Er wollte die Grenzen des religiösen Wissens überwinden, indem er sich der Alchemie zugewandt hatte. Dieser Drang nach Wissen hat ihn nicht nur der Kirche entfremdet, sondern auch seine moralischen Werte ins Wanken gebracht. Er stürzt ab wie im Bild die Figur der Königsgalerie – der Konflikt zwischen Religion und Leben bleibt.
Infinity, 2015
Graphit, Gouache, Pigmentstift auf Bütten
195 × 140 cm
Das gotische Kreuzgewölbe ist transzendiert und gibt den Blick auf einen imaginierten Nachthimmel frei. In die Sternenkonstellation sind Pentagramme eingebunden, die den Blick in die Unendlichkeit gliedern.
Das Pentagramm ist vermutlich das bekannteste Symbol der Magie und der Mystik. Es stellt die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde dar, überragt vom Geist. Steht dieses Symbol auf dem Kopf, wird es zum Drudenfuß, als Zeichen des Bösen, und die Spitzen werden zu Hörnern einer Teufelsmaske.