Kammerspiel

2005:
Tapete, Foto, Zeichnungen:
Ausstellungsansicht DNA Galerie:

Sichtung rot – Ein Kammerspiel

Gaston Bachelard schreibt in seiner „Poesie des Raumes“ von 1957: „Das Haus ist unser erstes All. Die Erinnerungen an die äußere Welt werden niemals die gleiche Tonalität haben wie die Erinnerungen des Hauses.“

Unser Bedürfnis von Schutz, Ruhe und Wärme bindet uns an keinen anderen Ort so sehr, wie an unseren privaten Raum. In den Blättern der „Kammerspiel“-Reihe wird dieser Wert aufgehoben oder doch zumindest in Frage gestellt. Der Raum, der Schutz bieten soll, scheint hier zur Bedrohung für die Figur zu werden.

Brigitte Waldach nutzt den Raum als Basis für figürliche Situationen mit offenem Ausgang. Dabei konstruiert sie keine Geschichten oder Handlungsstränge, sondern schafft minimalistische Konstellationen, die sich oftmals auf die Anwesenheit einer einzigen Figur beschränken. Ihre Werke sind Konzentrate menschlicher Verhaltensmuster. Aufgespalten in verschiedene Teile ihrer Persönlichkeit kann diese Figur im Bild mehrfach auftauchen, mit sich selber kommunizieren oder sich von sich selbst abwenden. Der Raum, in dem die Künstlerin ihre Figuren platziert, dient als Resonanzboden innerer Befindlichkeiten oder als karge Bühne möglicher Handlungsoptionen, die vom Betrachter in verschiedene Richtungen weitergedacht werden können.

Indem die Künstlerin sich auf Rot und Weiß, bzw. Licht und Schatten, beschränkt, reduziert sie die Wirklichkeit auf ein Abstraktionsniveau, das an Comiczeichnungen oder digital verfremdete Bilder erinnert. Scharfkantige Linien definieren Raumecken, das aufgeklebte Tapetenpapier markiert Wände oder Zimmerdecken.

Dass die Bilder trotz ihrer stillen und introvertierten Atmosphäre ein hohes Maß von Spannung ausstrahlen, resultiert aus dem meisterhaft arrangierten Zusammentreffen von Figur und Raum.
Im Nachhinein scheint es fast eine Konsequenz, dass sich Brigitte Waldach mit dem großen Meister des absurden Theaters Samuel Beckett beschäftigt hat. Auch sie dringt mit ihren Werken in Bereiche vor, in denen sich Realität in Imagination verwandelt …

Nils Ohlsen, Kunsthalle in Emden