Foto Kopfbereich: Bernd Uhlig
Konkreter Ausgangspunkt für meine Raumzeichnung ist der Film „Die bleierne Zeit“ von Margarethe von Trotta (1981), an dessen Entstehung Christiane Ensslin beteiligt war. Hier ging es bekanntlich in erster Linie um das private Verhältnis zweier Schwestern, das eindeutig die Beziehung der Schwestern Gudrun und Christiane Ensslin spiegelte. Beide führten ein politisch engagiertes Leben: die eine, Christiane, legal als Journalistin, die andere, Gudrun, radikal als Terroristin, die Freund und Kind verließ, im Untergrund lebte und schließlich inhaftiert wurde.
2005 veröffentlichten die Geschwister Christiane und Gottfried Ensslin die Briefe, die Gudrun in den Jahren 1972/73 aus der Isolationshaft schrieb. Diese intensive Korrespondenz ist auch deswegen entstanden, weil die Besuchs- bzw. Schreiberlaubnis nur auf engste Familienangehörige beschränkt wurde. Die Briefe von Christiane Ensslin sind verschollen; so lässt sich der Dialog nur aus den Antworten Gudruns konstruieren. Ihre privaten Briefe, und das wusste Gudrun Ensslin, wurden schon damals von den Bundesbehörden gelesen und zensiert. Vor diesem Hintergrund ist das Private dieser Zeugnisse relativ.
Passagen aus den Briefen an Christiane dringen tiefrot in diesen hermetischen Ausstellungsraum. Über die unterschiedlichen Rottöne sind die Brieffragmente von der Literatur (hellrot) unterschieden, die sich Gudrun Ensslin durch ihre Schwester Christiane ins Gefängnis bringen ließ. Die eingeforderten Bücherlisten umfassten sowohl literarische als auch philosophische und politische Texte, darunter Friedrich Engels’ „Der Ursprung der Familie“, „Der Hungerkünstler“ von Franz Kafka, Gedichte von Ezra Pound, Dramen von Jean Genet und „Tractatus logico-philosophicus“ von Ludwig Wittgenstein. Hinter der „authentischen“ Stimme Gudrun Ensslins bleiben diese literarischen Einflüsse genauso wahrnehmbar wie der rote Stern auf die Geschichte der Rotarmisten verweist, bevor er – modifiziert – zum Symbol der Roten Armee Fraktion wurde.
BW
Fotos: Roland Horn